Kreolistik
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Kreolistik beinhaltet die wissenschaftliche Beschäftigung mit den aus einer Sprachkontaktsituation entstandenen Kreolsprachen sowie der Kultur der Länder, in denen diese Sprachen gesprochen werden bzw. gesprochen wurden. Kreolsprachen haben sich inbesonders nach der Kolonialexpansion europäischer Länder in Übersee entwickelt und sind meist Ergebnis des Kontakts zwischen Sprechern einer oder mehrerer europäischer Basissprachen (Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Niederländisch) mit indigenen Sprachen in Afrika, Asien und Amerika. Heute gibt es in der ganzen Welt ca. 13 bis 14 Millionen muttersprachlicher Sprecher von Kreolsprachen. Die wichtigsten kreolophonen Länder sind Haiti, Mauritius, die Seychellen, Réunion, die Kapverden, Guinea-Bissau, São Tomé und Príncipe, die Inseln Aruba, Bonaire und Curaçao der Niederländischen Antillen, Suriname und Sierra Leone. In einem weiteren Verständnis von Kreolistik werden auch die Sprachvarietäten afro-amerikanischer Sprecher in den englisch-, spanisch-, französisch- und portugiesischsprachigen Ländern Amerikas und Afrikas sowie die in der Republik Südafrika (Afrikaans) einbezogen (ca. 130 Millionen).

Kreolsprachen sind isolierende und analytische Sprachen, die fast ohne Morphologie auskommen. Die grammatischen Strukturen sind Ergebnis von Substratwirkungen indigener Sprachen und von universellen sprachlichen Simplifikationsprozessen. Der Status der jeweiligen Sprache hängt meist vom ökonomischen und politischen Ansehen der Sprecher ab. Während Kreolsprachen in Haiti oder in Guinea-Bissau nur ein geringes Prestige haben, gilt Papiamentu als Ausdruck der Identität der genannten Antilleninseln und erfreut sich zunehmender Beachtung (vgl. hierzu Johannes Kramer: «De origine elementisque linguae Creolae, qua incolae insularum Batavarum in mari Caraibico sitarum utuntur», in: Dulce et decorum est philologiam colere: Festschrift für Dietrich Briesemeister zu seinem 65. Geburtstag, Berlin: Domus Editoria Europaea, 1999, S. 989-1000). Kreolsprachen sind heute meist schriftlich fixiert. In vielen Ländern gibt es literarische, religiöse und journalistische Texte, in einigen Sprachen wird aber das gesamte Spektrum der Sprachverwendung (einschließlich fachwissenschaftlicher und technischer Texte) erfaßt. Kreolsprachen sind für die Linguistik besonders interessant, da sich Sprachentwicklungsprozesse von der Enstehung einer Sprache bis hin zu ihrem Aussterben erklären und mit Beispielen belegen lassen.

Die Kreolistik wurde unter anderem von dem deutschen Sprachwissenschaftler Hugo Schuchardt im 19. Jahrhundert entwickelt, der mit seinen Studien das damals dominante wissenschaftliche Paradigma von den alles beherrschenden Lautgesetzen ins Wanken brachte. Weitere Pioniere der Kreolistik sind der Holländer Dirk Christiaan Hesseling und der Portugiese Francisco A. Coelho. Die Kreolistik hat in den letzten Jahrzehnten wesentlich zur Theoriebildung in der Linguistik beigetragen, wobei Probleme des Spracherwerbs, der Universaliengrammatik, des Bioprogramms und soziolinguistische Aspekte der Sprachentwicklung im Mittelpunkt standen (John E. Reinecke, Derek Bickerton, Norbert Boretzky).

An deutschsprachigen Universitäten werden kreolistische Lehrveranstaltungen besonders an Romanischen Seminaren (Bamberg, Freie Universität Berlin, Mainz-Germersheim, Erlangen, Regensburg, Hamburg, Salzburg) und Instituten für Anglistik (Marburg, Essen, Freie Universität Berlin, Duisburg, Regensburg) angeboten.

Für ihre kreolistischen Publikationen sind im deutschsprachigen Raum besonders bekannt: Annegret Bollée (Bamberg), Angela Bartens (Helsinki/Göttingen), Norbert Boretzky (Bochum), Eva Martha Eckkrammer (Salzburg), Ulrich Fleischmann (Berlin), Jürgen Lang (Erlangen-Nürnberg), Philippe Maurer (Küsnacht), Ingrid Neumann-Holzschuh (Regensburg), Matthias Perl (Mainz), Ingo Plag (Marburg), Edgar W. Schneider (Regensburg), Peter Stein (Erfurt), Thomas Stolz (Bremen), Petra Thiele (Berlin) und Klaus Zimmermann (Bremen).

Seit mehreren Jahren gibt es verschiedene kreolistische Fachzeitschriften: Journal of Pidgin and Creole Languages (Amsterdam; Philadelphia), Études Creoles (Montréal), Papia (Brasília) und Amsterdam Creole Studies (Amsterdam). Aufsätze zu portugiesisch-basierten Kreolsprachen werden auch in Lusorama -- Zeitschrift für Lusitanistik (Berlin) veröffentlicht.

Gute Informationen zur Kreolistik bietet die Universität Stockholm unter http://www.ling.su.se/Creole/

Lusitanisten ist auch folgende Internet-Adresse zu empfehlen: http://www.unb.br/il/liv/crioul/

Wenn Sie sich auch für andere romanistische Disziplinen interessieren, so besuchen Sie auch http://www.romanistik.com/

Weitere Seiten im Internet:

http://www.lusitanistik.de/

 

http://www.hispanistik.com/

http://www.lateinamerikanistik.de/

http://www.romanistik.com/

Besuchen Sie auch die Seiten des Deutschen Lusitanistenverbandes: http://www.lusitanistenverband.de/

Mit Lusorama - Zeitschrift für Lusitanistik steht der Kreolistik und Lusitanistik im deutschsprachigen Raum auch eine eigene Fachzeitschrift zur Verfügung: http://www.lusorama.de/

Eine sehr nützliche Liste hat Dr. Wolf Lustig (Universität Mainz) zusammengestellt: http://www.romanistik.uni-mainz.de/ifr/Lusitanistik_ifr.htm

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